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Ein Gruppe von Menschen wird durch die Ausstellung geführt.

27. Apr. | 15.00 Uhr

Die GRIMMWELT von A-Z

Dauerausstellung

Mutter und Kind schauen sich Märchenbücher im Bereich VOLKSMÄRCHEN an.

Erlebnisraum GRIMMWELT

Hier kommen die Brüder Grimm in der Jetzt-Zeit an: Künstlerisch, interaktiv und multimedial vermittelt.

  • GRIMMWELT
  • Familie Grimm

Der Malerbruder Ludwig Emil Grimm

von Dr. Vera Leuschner

Das Selbstportrait des Malerbruders Ludwig Emil Grimm zeigt einen jungen Mann mit verwegener Frisur.

Ludwig Emil Grimm (1790-1863), meist »Louis« genannt, der jüngste Bruder von Jacob und Wilhelm Grimm, erlangte als Maler, Zeichner und Radierer große Anerkennung.

Er studierte an den Kunstakademien in Kassel und München und wurde 1832 Professor an der Kasseler Kunstakademie. Mit einem Teil seins Schaffens wird er fast zu einem Chronisten des Lebens der Brüder, aber auch des gesellschaftlichen Lebens der Stadt Kassel.

Die Neigung Ludwig Emils »nach dem Leben« zu zeichnen, wurde schon in seiner Schulzeit auf dem Lyceum, dem heutigen Friedrichsgymnasium, offenbar: Kritzeleien und Karikaturen in seinen Schulheften machten die Runde und brachten ihm manchen Tadel der Lehrer ein. Zeitlebens blieben die Arbeiten, die das Gesehene und Erlebte wiedergeben, seine große Stärke.

Voller Ehrfurcht blickte der Malerbruder zwar auf seine gelehrten Brüder, ohne jedoch selbst wissenschaftliche Ambitionen zu haben. Dennoch gab es immer wieder Gelegenheiten zur Zusammenarbeit: so etwa, wenn der Künstler 1815 die Märchenerzählerin Dorothea Viehmann – nicht lange vor ihrem frühen Tod – zeichnete. Die Frau mit dem unglaublichen Erzähltalent, die eine große Anzahl von Texten für den zweiten Band der Grimm’schen Märchensammlung beitrug. Ihr Bildnis – es blieb das einzige, das von ihr existiert – erscheint dann in der Märchenausgabe von 1819 als Radierung (nach der ursprünglichen Zeichnung), die im Bereich BUCH ausgestellt ist. Später half der Zeichner den Brüdern auch, die Märchen zu illustrieren und erwies sich hier auch als großartiger Erfinder. Im Bereich VOLKSMÄRCHEN kann man einige Beispiele in den gedruckten Exemplaren sehen.

Im Bereich CASSEL sind humoristische Arbeiten Ludwig Emils ausgestellt, wie bspw. die angeregte Unterhaltung einer vornehmen Tischrunde im Hause des berühmten Anthropologen und Anatom Professor Blumenbach in Göttingen. Solche humoristischen Zeichnungen versieht Grimm gern mit Textpassagen, die den Betrachter an den Gesprächen quasi teilnehmen lassen.


Die Karikatur zeigt mehrere Frauen und Männer, über denen eine Libelle schwebt.
Die Karikatur zeigt eine Gesellschaft bestehend aus mehreren Männern und Frauen in einem großen Salon.
Die Postkarte zeigt zwei Männer, deren Gesten bewegt werden können.
Die Karikatur zeigt Alltagsszenen in einem Raum mit Tischen, Essen, Männern und einer spinnenden Frau.

Erstaunt stoßen Besucherinnen und Besucher dann auf zwei parallel hintereinander angeordnete, extrem lange Vitrinen, in denen jeweils knapp 10 Meter lange aufrollbare Zeichnungen liegen: das »Reisetagebuch in Bildern« von 1850 und die »Kurze Lebensbeschreibung einer merkwürdigen und liebevollen Sau« (1849/50). Beide Rollen bestehen aus vielen einzelnen kleinen Skizzenbuchblättern, die der Künstler aneinanderklebte. Die kurzen oder längeren Kommentare zu den Skizzen, zuweilen in wörtlicher Rede, manchmal im Dialekt wiedergegeben, machen diese Rollbilder zu einer Vorform des Comics und gleichzeitig funktionieren sie nach dem Prinzip eines Films, der vor unseren Augen abrollt. Mit spitzer Feder, oft mit feiner Ironie, mit Sinn für die Situationskomik, mit dem Humor für kleine Pannen, spürt Grimm dem grotesken Nebeneinander von Haupt- und Nebenszenen nach und bringt dies pointiert zu Papier.

In der Reiserolle schildert der 60jährige Grimm die »Abenteuer«, die er selbst, begleitet von seiner Frau Friederike, seiner Tochter Ideke und seiner Nichte Dorothee auf einer Reise von Kassel über Fulda, Steinau (die alte Heimat), Frankfurt am Main, Aschaffenburg, Würzburg, Bamberg nach Nürnberg erlebte. Das den Grimms nachgesagte Nachahmungstalent kommt zum Vorschein, wenn z. B. der Steinauer Jugendfreund Gottschalk seine »Kaffe(e) Versprechungen« ständig wiederholt aber niemals einlöst, oder wenn der lange Wirt Eckhardt beteuernd auf die Störche weist: »Sehn Sie Herr Grimm, die Störch kommen alle Jahre, und alle Jahre kommen sie«. Erheiternd auf den Betrachter wirkt es auch, wenn der Gastwirt in Gelnhausen in geschraubten Worten »die Ehre hat, guten Appetit zu wünschen«. Darüber hinaus ist diese Reiserolle auch eine Fundgrube für kulturhistorische Fragen des Reisens um die Mitte des 19. Jahrhunderts.

Im Falle der sog. »Schweinerolle« finden sich für den aufmerksamen Betrachter abgesehen von drastischer Komik und feiner Ironie auch zahlreiche versteckte Anspielungen auf die politischen Zustände um und nach 1848.

An diesem kleinen Ausschnitt aus dem rund 2000 Blatt umfassenden zeichnerischen Werk Ludwig Emil Grimms können sich Besucher*innen erfreuen. Andere Bereiche seines Schaffens wie Landschaften, Genre- und Trachtendarstellungen, weitere Porträts sowie Historienbilder werden im Depot der Grimm-Sammlung der Stadt Kassel aufbewahrt.